Liebe Kinder,
heute erzählt Euch Euer Märchenonkel, wie es einem ergehen kann, der die beiden – eigentlich miteinander unvereinbaren – Bereiche „Musiker“ und → „seriöse Geschäfte“ gegen alle Regeln dennoch miteinander zu kombinieren versucht:
Es war einmal an einem normalen Bürotag bei einem normalen Werbemenschen, da klingelte das Telefon und ein Musiker war am anderen Ende der Leitung. Er sprach sehr lange und in wahrlich wohlklingenden Worten, dass er auf Empfehlung eines Bookers anriefe und diverse Werbematerialien bräuchte, da er mit seiner Band jetzt so richtig durchstarten wolle. Dazu bräuchte er ein Logo, eine (neue) Webseite, Plakate und Flyer. Gleichwohl hatte der Musiker schon bestimmte Vorstellungen, wie das Ganze auszusehen habe, da er ja schließlich den weltberühmten Musiker „XY“ auf der Bühne verkörpere und seine Band den bekannten Namen „ABC“ trage – wohlgewählt nach einem noch berühmteren Song des Originalmusikers „XY“
Also machte sich der Webemensch nach dem ersten Telefonat daran, Recherche zu betreiben. Am Ende lagen also Screenshots des Originalcovers der Single des berühmten Songs und ein typisches Livebild von „XY“ auf der Festplatte, wurden liebevoll in stundenlanger Handarbeit vektorisiert, angepasst, neu miteinander arrangiert um ein noch nie dagewesenes Logo zu erschaffen, welches das nostalgische Gefühl aus dem goldenen Zeitalter des Vinyl in die heutige Zeit transportiert.
Der Musiker war in den darauf folgenden mehrstündigen Telefonaten begeistert ob des Entwurfes – alleine beim Werbemenschen wollte sich keine richtige Freude ob des geschaffenen Werkes mehr einstellen, da nicht klar wurde, was dem Musiker dann doch nicht so richtig an dem Entwurf gefiel. Die Lösung des Ganzen ergab sich – richtig vermutet liebe Kinder – nach weiteren mehrstündigen Telefonaten: Werbemensch und Musiker hatten unterschiedliche Begriffsdefinitionen ob des Wortes „Logo“: Während der Werbemensch aus seiner schon Äonen andauernden Praxis genau wusste, um was es sich bei einem Logo handelt (und wofür ein solches eingesetzt wird), ging der Musiker davon aus, dass selbstverständlich die ganze Zeit von einem Banner gesprochen worden sei, welches auf einer Bühne im Hintergrund zu hängen habe. Nach ein paar weiteren längeren Telefonaten war diese Kleinigkeit allerdings geklärt und das ursprünglich quadratische Logo auf einen rechteckigen Hintergrund portiert worden – zur Zufriedenheit aller. Bis zum nächsten Telefonat…
Dieses ergab nun, dass unbedingt der einfarbige Scherenschnitt des weltberühmten Musikers „XY“ als kolorierte Zeichnung mit deutlich erkennbaren Einzelheiten zu erkennen sein müsse und zusätzlich noch die Internetadresse des Musikers sowie ein Text á la „The-Tribute-Show by Musikername“ auf dem Banner Platz finden müssten. Nun denn, drei Entwürfe später waren Werbemensch, Musiker und seine Bandkollegen hochzufrieden und schmiedeten schon Pläne für die nähere Auftragszukunft hinsichtlich Fototermin und Relaunch der bestehenden Webseite…
Und dann trat – wie eigentlich in jedem Märchen – die böse Fee auf den Plan: Das Bandmanagement begutachtete den fertigen Entwurf und urteilte kurz und knapp: „In den finstersten Kerker damit. So geht das gar nicht!“. Ein (kürzeres) Telefonat mit dem Management ließ den Werbemenschen an den Erkenntnissen und wohlbegründeten Wünschen des Managements teilhaben und brachte die Erleuchtung, dass ein radikal anderer „Entwurf 2.0“ hermüsse. Ein längeres Telefonat mit dem Musiker brachte diesen neuen Entwurf in die richtige Richtung und so wurden erneut Illustrator und PhotoShop angeworfen. Am Ende des Arbeitstages erfreute ein strahlend neues Design für ein Banner das Herz des Werbemenschen und das Herz und Gemüt des Managements. Eine Jubel-Antwortmail brachte diesen Überschwang der Freude in einem einzigen Wort zum Ausdruck: „Klasse!“. Ein paar kleinere Änderungen waren auf Wunsch des Musikers allerdings noch zu tätigen aber an dieses Werk ging der Werbemensch mit Freuden – wusste er doch, dass nach seinem wohlfeil geschaffenem Tagewerk viele Menschen glücklich und mit Wohlpreisungen seines Namens auf den lächelnden Lippen einschlafen würden.
Das Herz des Musikers war ebenfalls erfreut und umso erstaunter war er, dass seine tapferen Mitstreiter in der Band – allesamt deutlich jünger und unerfahrener als er selbst – diesen Entwurf als „skandalös, sexistisch“ und „geht gar nicht“ abtaten. Der Musiker beeilte sich aber, dem Werbemenschen in vielen wohlklingenden Worten zu versichern, dass dieser Entwurf aber auf jeden Fall toll sei und später auf Plakaten Verwendung finden solle.
Liebe Kinder, Ihr ahnt es sicherlich schon: Eine neue Version des Banners musste her: Noch radikaler anders als die Versionen eins und zwei, dennoch aber mit deutlichen Anleihen an diese. Jetzt durfte der Werbemensch endlich einmal den Telefonhörer aus der Hand legen und zu seinen geliebten Programmen Illustrator und PhotoShop zurückkehren, damit er erneut seiner eigentlichen Bestimmung nachgehen konnte: Kreativ tätig zu sein, Kunden glücklich zu machen und nebenher ein wenig Geld für den täglichen Lebensunterhalt für sich und seinen Kater zu verdienen. Wenige Entwürfe und einige Telefonate später war dann endlich Banner 3.0 in der Version „3.0 f2“ fertig und wie in jedem guten Märchen bekam der tapfere Werbemensch am Ende seine Belohnung: Er durfte nach 48 Stunden Bedenkzeit des Musikers und das Managements den digitalen Bannerentwurf an die Meister der schwarzen Kunst schicken, auf dass sie daraus ein Banner für die Bühne machen mögen. Und dieses Tun möge bitte in Eile mit Sorgfalt erfolgen, auf dass das Banner in 6 Tagen auf einer Bühne in fernen Landen hängen könne, damit dort bei einer Versammlung von Musiker, Bandkollegen und Management vom Werbemenschen viele tolle bunte Fotos gemacht werden können.
Und als dann die Meister der schwarzen Kunst gerade ihre geheimnisvollen Maschinen angeworfen hatten und unter allerlei magischem Tun und Gemurmel sich daran machten, zur Ehre des Musikers das Banner zu weben und zu bedrucken – da klingelte das Telefon beim Werbemenschen…
Der Musiker fragte an, ob die Bannererstellung noch gestoppt werden könne, da seine tapferen Mitstreiter in der Band noch nicht abschließend über den Entwurf 3.0 f2 eine Rückmeldung abgegeben hätten und eigentlich auch eher die „finale Version 1.0“ bevorzugen würden…
Liebe Kinder, es ist schon spät geworden, von daher erzählt Euch Euer Märchenonkel beim nächsten Mal, wie die Geschichte unseres tapferen Werbemenschen weiterging. Würde er am Ende doch noch jemals ein fertiges Banner auf einer Bühne hängend erblicken können? Käme es zu Folgeaufträgen und wie würde das Management auf weitere Einwände der Gefährten des Musikers reagieren?
Und… wann würde der Kater des Werbemenschen endlich wieder einmal etwas zu Fressen bekommen?
PS: Es wurde dann letztendlich doch nur ein schwarzes Banner mit einem roten (natürlich komplett anders gestalteten) Schriftzug. Eine weitere Zusammenarbeit fand auch nicht mehr statt. Aber der Kater ist nicht verhungert – wir haben ihm das Mäusefangen beigebracht…
Wahnsinn, so ein Horrormärchen! Hoffentlich kommt eine gute Fee, damit Katzi nicht vom
Fleische fällt. Bin für ein Care-Paket bereit.
Gib den Musikern „Saures“.